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Terror und Gewalt in Europa: Wer ist verantwortlich?

(Kommentare: 2)

Terror und Gewalt haben längst Europa erreicht. In der nahen Zukunft werden Terror und Gewalt wohl nicht abnehmen, sondern eher zunehmen. Bis jetzt aber verpasst es Europa, die eigene Mit-Verantwortlichkeit hierfür zu benennen und daraus Schlüsse für künftiges Handeln zu ziehen.

 

Stellen wir uns der Wahrheit:

 

Bevor Europa sich anschickte, Libyen in Brand zu setzen und Syrien in Schutt und Asche zu befreien, gab es keinen Islamischen Staat (ISIS). Sicherlich war das Inferno, welches nun in Syrien, Libyen oder dem Irak herrscht, nicht das Ziel der westlichen Politik. Es ist aber seine Folge und die Ursachen begannen bereits früher. Hätte der Westen in den 80er Jahren nicht den Aufbau eines weltweiten Netz aus Mudschahedin und Islamisten im Kampf gegen die Sowjetunion in Afghanistan finanziell, ideell, logistisch und militärisch unterstützt, hätte es nämlich auch später wohl keine al-Qaida gegeben. Al-Qaida hätte wiederum nachfolgend nicht im Irak ihren zweiten Aufschwung erleben dürfen, wenn George W Bush von dem völkerrechtswidrigem Krieg gegen den Irak abgesehen hätte.

 

In den betroffenen Staaten sind Millionen Tote und noch mehr Verletzte und Geflüchtete als mittelbare Konsequenz auch der westlichen Politik zu beklagen.

 

Als vor wenigen Tagen in Afghanistan bei einem einzigen Anschlag mehr als 80 Menschen starben, buchten wir dies ab unter dem Begriff der Normalität. Wenn aber in einem westlichen Staat Menschen getötet oder verletzt werden, ist der Aufschrei laut.

 

Wir dachten, Kriege in anderen Ländern führen oder führen lassen zu können, ohne von den Folgen betroffen zu werden. Ohne Empathie blicken wir heute auf die Millionen Toten, Verwundeten, Heimatlosen und Geflüchteten in Libyen, Afghanistan, Syrien und Irak. Schützen wollen wir nur uns selbst.

 

Während wir unsere eigenen Fehler leugnen, sind wir gerade dabei, wiederum geeignete Sündenböcke zu finden. Die Verantwortung für den Terror in Europa soll Flüchtlingen zugeschoben werden. Dabei liegt die Verantwortung für den Terror weder bei Flüchtlingen noch übrigens beim Islam, ebenso wenig wie die Verantwortung für die andauernden Massaker der Lord Resistance Army (LRA) im Kongo beim Christentum liegen würde. Auch die Verantwortung für den größten Massenmord in Europa durch einen einzelnen Attentäter liegt nicht beim Chrstentum, sondern bei Anders Behring Breivik und denjenigen, die sein extremistisches Christentum und seinen ebenso extremen Islamhass unterstützen und förderten. Die tatsächliche Verantwortung für den islamistischen Terror liegt entsprechend bei gnadenlosen Fanatikern (ISIS, al-Qaida), die Menschen für ihre Vernichtungsmaschinerie rekrutieren, und sie liegt bei denjenigen, die den Aufstieg dieser Fanatiker erst ermöglichten – also auch bei uns!

 

Die Vernichtungsfeldzüge der ISIS in Libyen, Syrien und Irak wären nach allem, was wir wissen, ohne die westliche Politik gegenüber Libyen, Syrien und Irak nicht möglich gewesen. Die Gefahr war sogar durch Pentagon-Analysten bereits vor Jahren erkannt und treffend beschrieben worden. Nur für eine Umkehr fehlten Ehrlichkeit und der Mut. Das „weiter so“ hat den Terror nach Europa gebracht.

 

Wenn in einer Stadt ein Mord geschieht, würde wohl niemand auf den Gedanken kommen, eine ganze Stadtdafür verantwortlich zu machen. Aber wenn ein Flüchtling einen Terroranschlag verübt, kommen Politiker auf den Gedanken, Flüchtlinge künftig sogar direkt in Krisengebiete, also in den Bombenhagel oder direkt zur ISIS nach Syrien abschieben zu wollen. Sollten sie geköpft werden, wäre es eben nur ein Kollateralschaden.

 

In Wirklichkeit wird eine solche Politik der Härte den Terror nicht mindern. Sie wird vielmehr ein gesellschaftliches Klima schaffen, indem sich umso mehr Menschen entfremdet fühlen und sodann leichter für die Terrormaschinerie gewonnen werden können. Gleichzeitig werden so diejenigen Grundwerte Schritt für Schritt über Bord geworfen, die uns von den Terroristen unterscheiden und die langfristig das sicherste Bollwerk gegen den Terror darstellen.

 

Wenn es uns stattdessen gelänge, uns auf die Werte von Rechtsstaatlichkeit, Humanität, Menschenrechten und Fairness zurück zu besinnen, würden wir den Kampf gegen den Terror einfacher gewinnen können. Dann würden wir es auch nicht mehr als erstrebenswert betrachten, Terror durch Abschiebung in andere Länder zu exportieren, sondern würden uns weltweit mit allen Betroffenen Staaten, Völkern und Menschen gegen den Terror solidarisieren. Gegen eine solche Solidarität wäre der Terror aber machtlos.

 

Eine konsequente Anti-Terrorpolitik muss immer eine Politik gegen Diskriminierung, für Rechtsstaatlichkeit und für die Geltung der Menschenrechte sein. Dies sollte auch die bittere Lektion aus Guantanamo sein, einem Ort, der weltweit mehr Terroristen produzierte als er einsperrte.

 

Zu befürchten ist stattdessen ein Teufelskreis der Eskalation:

 

Terrorattacken liefern Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten, die sich daher klammheimlich über jeden Terroranschlag freuen. Die Politik gibt dem entstehendem Druck nach und setzt zunehmend rechtspopulistische Elemente um. Dies führt zu einer Politik der verschärften Diskriminierung und Ausgrenzung von Millionen Menschen, von denen dann einige wenige als Terroristen und Attentäter rekrutiert werden können. Dies fördert wiederum den Rechtspopulismus ...

 

Aktuell befinden sich die Rechtspopulisten in der Offensive. Es gelingt ihnen sogar, sich den Amoklauf von München zu Nutze zu machen, bei dem die meisten Opfer einen Migrationshintergrund hatten und der Täter offenbar auch durch den islamhassenden norwegischen Attentäter Breivic motiviert worden ist. Noch immer ist übrigebens dieser Rechtsradikale und Islamhasser Breivic der den größten durch einen einzelnen Attentäter verübten Massenmord in Europa zu verantworten hat. Auch in diesem Bereich sind Nachahmer zu erwarten.

 

Islamismus und Rechtspopulismus sind zwei Seiten einer gefährlichen Medaille der Unmenschlichkeit, die in Terrorismus münden kann. Beiden darf nicht nachgegeben werden. Es ist zu hoffen, dass es maßvollen und aufgeklärten politischen Kräften gelingen wird, die Spirale der Eskalation zu durchbrechen und den Rechtsstaat zu schützen.

 

Verfasser: Guido F. Gebauer

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Kommentar von Christopher Temt |

Rechtspopulismus ist der falsche Begriff, denn es dreht sich um aggressive Reaktionäre. Die Diskussion auf Die Zeit sollte auch bei Ihnen Niederschlag finden: Populismus ist also ein treffender Begriff, allerdings beschreibt er mehr die Methode als die Inhalte, er erfasst den rassistischen und nationalistischen Gehalt nicht.
http://www.zeit.de/2016/25/rechtspopulismus-alexander-gauland-donald-trump-marine-le-pen

Kommentar von Urs loppacher |

Anstelle des verharmlosenden Begriffs "Rechtspopulisten" finde ich " Neofaschisten" treffender.