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Rechtspopulismus und Islamismus: Analyse einer beunruhigenden Nähe

(Kommentare: 16)

Scheinbar sind sie die ärgsten Gegner: Rechtspopulisten und Islamisten. Diplom-Psychologe und Rechtspsychologe Dr. Guido F. Gebauer hält diese Gegnerschaft aber nur für scheinbar. Hinter ihr verberge sich eine gefährliche Nähe, die nach seiner Überzeugung auf gemeinsamen Persönlichkeits-Strukturen beruht. In diesem Artikel diskutiert er diese Nähe und gibt vorläufige Antworten auf die Frage, wie sich die Gesellschaft am Besten vor Rechtspopulisten und Islamisten schützen kann.

 

Wer warnt in Deutschland eindringlicher als Pegida und AfD vor dem Islam? Stellen sich nicht auch in Frankreich, den Niederlanden, England und Schweden Rechtspopulisten an die Spitze der anti-islamischen Bewegung? Will der soeben in den USA gekürte US-amerikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump nicht gar seine angestrebte Präsidentschaft nicht ganz unter das Banner des Kampfes gegen den Islam stellen?


Ist es also nur eine unbedeutende Randnotiz, dass der AfD Abgeordnete Gehlmann im Landesparlament von Sachsen-Anhalt, als es um Ausgrenzung und Verfolgung Homosexueller in den muslimischen Maghrebstaaten ging, gemäß Protokoll äußerte: Das sollten wir in Deutschland auch machen!"?


Ich halte dies nicht für eine Randnotiz, sondern ein zentrales Merkmal. Bei näherer Betrachtung lässt es nach meiner Überzeugung die scheinbare Distanz zwischen Rechtspopulisten und Islamisten zusammenbrechen. Psychologisch sichtbar wird ein Abgrund von Nähe.


Rechtspopulisten und Islamisten weisen Gemeinsamkeiten auf

 

Die Begriffe Rechtspopulismus und Islamismus werden hier nicht als Synonyme für Rechtsterrorismus oder islamischem Terrorismus verwandt, die nach Ansicht des Autors vielmehr gesteigerte Formen von Rechtspopulismus und Islamismus darstellen.


- Rechtspopulisten warnen, egal in welchem Land sie leben, vor einer Überfremdung ihrer Kultur. Sie sehen sich überlaufen von fremdartigen Einflüssen, sprechen von Überflutungen. Sie wollen Grenzen schließen, ihre Heimat gegen die Fremden schützen. Sie sind bereit für das Motto „wo gehobelt wird, fallen auch Späne“. Islamisten sehen ihre islamische Kultur durch Christen und Atheisten bedroht. Sie sehen sich überlaufen von einem christlich-atheistischen Kulturimperialismus, gegen den sie ihr fundamentalistisches Weltbild setzen. Sie wollen fremdartige Elemente – insbesondere Menschen mit anderem Glauben – aus ihrer Heimat fernhalten oder diese wenigstens zum Verstummen bringen.


- Rechtspopulisten sehen das, was sie als ihre Heimat betrachten, als durch eine Verschwörung fremder Kulturen und Religionen bedroht. Aber auch im eigenen Land machen sie Verräter ausfindig, die die eigene Kultur der Zerstörung durch Fremde preisgeben wollen. Sie sprechen von „Volksvergewaltigung“ und „Merkel muss weg“, weil sie irrtümlicherweise glauben, Merkel betreibe eine liberale Flüchtlingspolitik. Islamisten sprechen von einer Kreuzzügler-Verschwörung, an der sich auch angeblich die Juden beteiligen. Ziel sei die Zerstörung des Islam. Auch innerhalb des Islams erkennen sie überall Verräter, die den Islam angeblich der Zerstörung preisgeben wollen.


- Rechtspopulisten meinen, ihre Kultur bestehe aus einem Kern durch andere Völker, Kulturen, Subkulturen oder Liberalismus und Diversität bedrohter Praktiken und Werten, den sie um jeden Preis beibehalten wollen. Andersartige - ob Menschen aus anderen Ländern, mit anderen Religionen oder Menschen mit anderen sexuellen Orientierungen – sollen ferngehalten, mindestens aber begrenzt und nicht offiziell anerkannt werden. Diversität wird abgelehnt und als Angriff auf die eigene Heimat und Kultur verstanden. Islamisten sind exponierte Gegner jeder Diversität. Sie wollen eine monolithische Gesellschaft, die ihre Praktiken und Werte für immer festschreibt. Sie wenden sich gegen alle Menschen, die diesem Weltbild entgegenstehen, ob Menschen mit anderen Religionen oder Menschen, die dem heteronormativen Weltbild nicht entsprechen.


- Rechtspopulisten warnen, dass bereits in Kindergarten und Schule die Zerstörung heimatbezogener Werte und der traditionellen Familie beginne. Sie sehen Kinder durch eine sexualisierende Aufklärung bedroht, vor denen sie diese schützen müssten. Kinder sollen angeblich durch eine auf Diversität setzende sexuelle Aufklärung für Homosexualität und Gruppensex gewonnen werden. Islamisten sehen Sexualaufklärung und Homosexualität als Teufelszeug. Zu vermitteln seien Kindern in den Schulen die islamischen Werte und die traditionelle islamische Familie. Homosexualität hat hier keinen Platz im Schulunterricht.


- Rechtspopulisten bekennen sich zu scharfen Sanktionen. Sie setzen auf Abschreckung und Strafe. Für die Aufrechterhaltung der eigenen Kultur müsse Härte gezeigt werden, notfalls mit Gewalt. Strafverschärfungen, Diskussionen über die Todesstrafe, Schusswaffeneinsatz an den Grenzen, knallharte Abschiebungen, Massentote im Mittelmeer. „Wir können uns nicht von Kinderaugen erpressen lassen“, so brachte es der AfD Spitzenpolitiker Alexander Gauland auf den Punkt. Islamisten kennen ebenfalls keine Gnade. Sie setzen auf harten und gewalttätige Sanktionen und gehen gegen alle Ungläubigen und alle Muslime, die sich ihnen entgegenstellen, mit aller Entschiedenheit vor. Strafrechtliche Sanktionen sind harsch. Tote und Kinderaugen zählen auch für Islamisten nicht.



Wo liegt psychologisch die Verbindung zwischen Rechtspopulismus und Islamismus?



Beide stehen für einen extremen Konservatismus, für ein kompromissloses und rigides Festhalten an als Tradition aufgefassten Werten. Konservatismus ist in der Persönlichkeitspsychologie aber längst als angstmotiviert erkannt. Konservative haben Angst vor Neuem und Veränderungen. Angst führt zur Vermeidung, sich mit neuen Ideen auseinanderzusetzen. Da aber das, was anders ist, so als Bedrohung erlebt wird, kann Angst unter bestimmten Umständen in Hass umschlagen. Dies mag erklären, warum sich Fremdenfeinde und Islamisten nicht als Angreifer erleben, sondern als Teilnehmer an einem legitimen Verteidigungskampf. Dies ist es, was sie vereint, den norwegischen Attentäter Breivik, die Rechtspopulisten und die Islamisten.


Extremer Konservatismus kann es unmöglich machen, Fremdes und Andersartiges als etwas anderes als Bedrohung zu erleben. So sehen sich seine Anhänger umzingelt und überflutet – ob von Kreuzzüglern, Zionisten und Ungläubigen oder von Muslimen, Fremden und Homosexuellen. Mit dem Rücken an der Wand stehend – so erleben sie es - fällt ihnen nur noch die Vorwärtsverteidigung ein. Ohne Rücksicht auf Verluste.


Aber genügen Angst und Konservatismus, um den Hass zu erklären, der sich in Fremdenfeindlichkeit und Islamismus entlädt?


Wohl nicht in Gänze. Vielmehr wird hier aus psychologischer Sichtweise ein weiteres Element sichtbar, welches in der Persönlichkeitspsychologie mit dem Begriff des sozialen Antagonismus bezeichnet wird. Sozialer Antagonismus ist soziale Unverträglichkeit in Extremform. Federführend ist ein Mangel an Empathie, mitmenschlichem Bezug und Perspektivenübernahme. Sich durch die Toten nicht rühren lassen, Tote in Kauf nehmen oder gar selbst zu töten, ist Ausdruck sozial antagonistischen Empathiemangels. Dabei spielt es aus dieser übergeordneten Sichtweise nur eine geringe Rolle, ob es sich um die Opfer geschlossener Grenzen oder die Opfer von Terroranschlägen und Islamisten handelt.

 


Es lässt sich aber noch eine weitere Persönlichkeits-Facette sowohl bei Islamisten als auch bei Pegida erschließen:

 


Klassische, narzisstische Dissozialität im Sinne einer egozentrischen Missachtung von Normen und eines pathologisch erhöhten Stimulationsbedürfnisses.


Zahlreiche europäische Männer, die als ISIS-Terroristen nach Syrien gegangen sind, scheinen überhaupt keine streng gläubigen Muslime gewesen zu sein. Manche von ihnen fielen vorher betont dissozial und auch antiislamisch auf: Sie nahmen Drogen, tranken Alkohol, schauten Pornographie oder waren kriminell. Die ISIS rekrutiert also offenbar erfolgreich unter Kriminellen. Den Rekrutierten geht es vermutlich nicht wirklich um den Islam. Sie sind auch nicht angstmotiviert, sondern angstgemindert. Es geht ihnen um Thrill und den ultimativen Kick. Es geht ihnen also um das Ausleben dissozialer (und in manchen Fällen sogar sadistischer) Bedürfnisse. Hier paart sich also in einer auf den ersten Blick bizarr erscheinenden Art und Weise extremer Konservatismus mit seinem Gegenpol.

 


Etwas ähnliches zeigt sich bei den Rechtspopulisten:



Der vorherige kriminelle Wiederholungstäter Lutz Bachmann wurde zum Mitbegründer der Pegida-Bewegung. In der Welt liest sich zu ihm Folgendes: "Seit den 90er-Jahren ist er mit Ordnungswidrigkeiten und Straftaten wie Einbrüchen, Diebstählen, Körperverletzungen und Drogenhandel auffällig geworden". Im Kampf gegen den Islam versucht Bachmann wohl kaum, seine Angst zu mindern, sondern er lebt aus meiner psychologischen Sichtweise vermutlich narzisstisch-dissoziale Motive aus, die er bereits zuvor als Wiederholungstäter, Bewährungsversager und Einbrecher ausagierte. Derjenige, der selbst vor Strafverfolgung nach Südafrika ins Ausland floh, hat sich nun den Kampf gegen kriminelle Ausländer und Muslime auf seine Fahnen geschrieben. Die Fahnen sind nun andere, die Persönlichkeitsstruktur aber die gleiche. Bachmann ist nach Ansicht des Verfassers nicht der einzige mit dieser Motivlage. Die sogenannten Hooligans gegen Islamisten und Rechtsterroristen vom Kaliber der DSU dürften eine ähnliche Motivlage aufweisen.


Damit lassen sich persönlichkeitsstrukturell Schattierungen von Rechtspopulisten und Islamisten erkennen, die sich dadurch unterscheiden, in welchem Ausmaß sie durch extremen Konservatismus, Angst, Empathiedefizite oder narzisstisch-dissoziale, letztlich kriminelle Bedürfnisse geprägt sind. Es gibt die rein angstgesteuerten Menschen auf der Straße, die oftmals desinformiert sind. Dies können wir bei Pegida treffen, aber ebenso bei Demonstrationen gegen Kreuzzügler in Ländern mit muslimischer Mehrheitsbevölkerung.


Das wirklich Gefährliche an den heutigen Rechtspopulisten und Islamisten ist aber, dass sie bereit sind, den Spagat auszuhalten, der sich aus der Rekrutierung von extrem konservativen, angstmotivierten, aber auch empathiegeminderten und dissozial-kriminell motivierten Unterstützern ergibt.



Rechtspopulisten und Islamisten positionieren sich als Gegner, aber brauchen sich gegenseitig:



Je stärker sich die Rechtspopulisten durchsetzen, desto entfremdeter werden sich Muslime in nicht-muslimischen und nicht fundamentalistischen Ländern fühlen und desto eher werden sich Einzelne für Terrorattacken, aber auch rein psychopathologisch motivierte Amokläufe, gewinnen lassen. Je mehr Terror und Gewalt die Islamisten ausüben, desto besser läuft die Rekrutierungsmaschinerie der Rechtspopulisten und desto stärker mögen ihre Machthoffnungen ansteigen.


Rechtspopulisten und Islamisten erscheinen so als zwei Seiten der einen Medaille, die sich aus einer Mischung aus extremen Konservatismus und Angst mit Empathiedefiziten und narzisstischer Dissozialität ergibt. Wer weiß - womöglich mögen sie eines Tages sogar gemeinsam losschlagen. Schließlich verbindet sie schon jetzt der Hass gegen Fremde und eine vergleichbare Persönlichkeitsstruktur. Die Worte des AfD Abgeordnete Gehlmann mögen als Warnung dienen.



Wie lassen sich Rechtspopulismus und Islamismus am besten bekämpfen?



Zunächst ist es wichtig, zu erkennen, dass zwischen beiden eine gemeinsame, bei den jeweiligen Unterstützern aber individuell variierende Basis von extremen Konservatismus, Angst, Empathiedefiziten und narzistischer Dissozialität besteht. Die gesellschaftliche Reaktionen sollten zwischen den Angstmotivierten, Empathiegeminderten und rein dissozial Kriminellen unterscheiden:


- Unberechtigte Ängste sollten ernst genommen werden, indem sie widerlegt werden. Die Mär vom wirtschaftlich-kulturellen Untergang Europas durch Flüchtlinge sollte unter Verweis auf die tatsächlichen Fakten widerlegt werden. Politiker, ob von CDU/CSU oder der bündnisgrüne Oberbürgermeister Thübingens Boris Palmer, sollten aufhören, von der Angst profitieren zu wollen. Denn hierdurch wird die Angst nicht beseitigt,sondern geschürt. Solchen Pegida-Demonstranten, die fürchten, dass sie bald nicht mehr Weihnachten feiern dürften, kann durch Aufklärung geholfen werden, nicht indem ihre irrationalen Ängste politisch instrumentalisiert werden.


- Die Gefahr von Terroranschlägen besteht. Die Verbindung zu eigenen schweren Fehlern im Nahen Osten sollte hergestellt und die Opferrolle der überwältigenden Mehrheit der Muslime herausgestellt werden. So kann verhindert werden, dass Terroranschläge Rechtspopulismus und Islamismus weiter fördern. Denjenigen, die sich heimlich über jeden Terroranschlag freuen, um diesen fremdenfeindlich zu nutzen, muss die moralische Missachtung der Gesellschaft gezeigt werden. Die Solidarisierung der gesamten Gesellschaft, einschließlich der Flüchtlinge und Muslime, gegen Terror und Gewalt ist gefragt und kann am ehesten terrorpräventiv wirken.


- Empathie für die Opfer von Kriegen und Vertreibung sollte durch eine stärkere mediale Berichterstattung gefördert werden, die den individuellen Schicksalen und ihrem Leid mehr Gewicht zukommen lässt. Es gibt tatsächlich durch die Rechtspopulisten irregeleitete Menschen, die meinen, die meisten Menschen flöhen nicht vor Krieg, Vernichtung und Barbarei, sondern wollten Europa einnehmen. Durch eine faktenorientierte Berichterstattung kann dem entgegengewirkt und mehr Mitgefühl aufgebaut werden.


- Die Rechtspopulisten sollten nicht als Stimme des Volkes, sondern als fehlgeleitete, missinformierte, durch irrationale Angst motivierte oder aber eben als empathiegeminderte und kriminell-dissoziale Menschen verstanden werden. Die Berichterstattung über die narzisstisch-dissozialen und teilweise dezidiert kriminellen Hintergründe ist noch nicht ausreichend. Eine solche Diskussion könnte aber die Attraktivität von Rechtspopulisten und Islamisten reduzieren. Erreichbar wären dadurch gerade auch die vorwiegend Angstmotivierten, die eben gerade nicht oder nicht primär durch Empathiemangel und Dissozialität auszeichnen.


- Ein Dammbruch muss verhindert werden. Jedes Entgegenkommen gegenüber den Rechtspopulisten höhlt die Basis einer menschenrechtlichen und mitmenschlichen Gesellschaft weit aus und droht damit zur Spirale von Hass und Gewalt beizutragen. Kriminell-dissozial motivierten Stimmen sollte es nicht erlaubt werden, die gesellschaftliche Diskussion zu bestimmen. Wer glaubt, den Rechtspopulisten entgegenzukommen, indem er ihre Forderungen übernimmt, gießt nicht Wasser, sondern Benzin in die Flammen.


- Ein entschiedenes und offenes Zugehen auf Menschen aller Religionen und aktuell auch gerade der Muslime ist notwendig, um die überwältigende Mehrheit der moderaten Muslime bei der Überwindung des Islamismus zu unterstützen. Je positiver die Gesellschaft auf einen moderaten Islam als Ausdruck von Diversität und Religionsfreiheit zugeht, desto mehr werden die Islamisten mit ihrem Kreuzzügler-Wahn unglaubwürdig werden. Desto weniger wird es ihnen auch gelingen, von der Gesellschaft entfremdete Menschen in die Irre zu führen und für den Islamismus zu gewinnen.


- Die Gesellschaft sollte sich offensiv zur Diversität bekennen, um Ausgrenzungserleben zu vermindern und dadurch die Attraktivität von Terrorgruppen, Terrorangriffen und Amokläufen zu reduzieren. Diversität heißt nicht nur Akzeptanz gegenüber anderen Religionen, sondern ebenso gegenüber anderen sexuellen Orientierungen und Familienmodellen, die nicht der heteronormativen Ausrichtung folgen. Dies steht übrigens nicht im Widerspruch zu einem Zugehen auf den moderaten Islam, da dieser tatsächlich mit einer solchen Diversitäts-Konzeption theoretisch und praktisch vereinbar ist und auch längst vereinbart wird.


- Unbedingt sollte eine Politik der Eskalation strafrechtlicher Sanktionen vermieden werden. Die bestehenden Strafgesetze und Sanktionen sind vollauf ausreichend. Festzuhalten ist zudem am erzieherischen Auftrag des Jugendstrafrechts. Eine vorwiegend sanktionsorientierte und weniger die Resozialisierung betonende Strafgerichtsbarkeit muss vermieden werden. Zahlreiche Studien zeigen, dass kriminalitätsanfällige Jugendliche und Erwachsene durch resozialisierende und behandlerische Maßnahmen am besten erreichbar sind. Strafverschärfungen sind wirkungslos und können sogar schädlich sind.


Aktuell werden die Gemeinsamkeiten zwischen der rechtspopulistischen und der islamistischen Gefahr noch nicht ausreichend erkannt. Um beide Gefahren effektiver abwehren zu können, sollten diese Gemeinsamkeiten stärker gesellschaftlich thematisiert und auf dieser Basis nach Gegenstrategien gesucht werden.

 

Verfasser: Guido F. Gebauer, Psychologe, Rechtspsychologe, Studium an den Universitäten Trier, Humboldt-Universität zu Berlin und University of Cambridge (UK), Promotion an der University of Cambridge, 10 jährige Tätigkeit als Gerichtsgutachter, arbeitet jetzt für die Kennenlern-Plattform Gleichklang.de und schreibt regelmäßig auf menschenrechte.eu und vegan.eu.

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Kommentar von Sebastian Schürmann |

Dieser Artikel sollte öfter gelesen und diskutiert werden. Sehr sinnvolle Schreibe. Danke. An einem dunklen Wochenende war es balsam für die Seele, das alles mal sehr rational diskutiert zu sehen.

Kommentar von Martin |

Guten Tag,

interessanter Artikel.

Schade das der Kreis nicht geschlossen wurde und auch ein Absatz über Linksradikalismus Platz gefunden hatte. In diesem Absatz hätte man unterbringen können, dass (besonderes in Berlin und Bremen, aber auch woanders) es Individuen gibt, die andere Menschen aufgrund ihrer politischen Einstellung verfolgen, Häuser oder wildfremde Autos (auch von unschuldigen nicht-Rechten) anzünden oder gezielt Versammlungen stören, wie es die SA von 1933 - 1939 auch gemacht hat. Oder das Individuen einer anerkannten (linken!) Abgeordneten eine Torte ins Gesicht werfen, weil sie anfängt Politik zu machen und nicht immer nur "dagegen" zu sein und somit wieder Gewalt ausüben.
Diesen ganzen Teil, hier sehr gekürzt, hätte den Artikel rundgemacht. So bleibt leider ein etwas komischer Nachgeschmack, ob es hier nur um linke Propaganda handelt anstatt um einen "runden, geschlossenen" Artikel.
Insofern: Schulnote Mangelhaft...
Anmerkung des Lehrers: Du hättest Dir auch ein "Sehr gut" verdienen können. Hat die Zeit nicht ausgereicht?

Kommentar von Frank |

Lieber Martin,
was Du forderst, ist aber eine Erweiterung des Artikels und nicht nur ein marginale Ergänzung. Dadurch wäre der Artikel nicht runder, sondern weniger überschaubar geworden. Aber natürlich hast Du recht, die radikaler "Ränder" des Spektrums stehen sich (wie schon in der Weimarer Republik) oft näher als sie zugeben mögen und erlangen genau dadurch so ein zusätzliche Gefahr für unsere offene Gesellschaft. Mit den radikalen Islamisten ist nun eine weitere Kraft hinzugekommen...

Kommentar von Sarastro |

Guter Artikel, aber es ist überraschend, dass der Genderaspekt völlig außen vor blieb. Islamisten und Rechtspopulisten sind mehrheitlich Männer, betrachten Frauen als ihre naturgegebenen Untergebenen und sind durch Emanzipation sofort in ihrer Identität in Frage gestellt. Die Antwort muss daher eine noch aktivere Gleichstellungspolitik sein.

Kommentar von David |

Hallo Martin,

Linksradikalismus per se gehört in den Artikel überhaupt nicht hinein. Die im Artikel genannten Gemeinsamkeiten zwischen Rechtspopulisten und Islamisten passen irgendwie so gar nicht zu linksradikalen.
Was innerhalb der radikalen Linken ein größeres Problem ist, sind schwarz-weiß-Denken, Freund-Feind-Schemata und die Suche nach "einfachen Lösungen". Das ist zwar alles im Rest der Gesellschaft genauso (oder noch mehr) verbreitet, stellt aber erst innerhalb einer Bewegung ein Problem dar, die das Ziel hat, die Welt radikal zum Besseren zu verändern.
Was auch weit verbreitet ist, sind Abstumpfung für Aggressivität und Ohnmachtsgefühle aufgrund einer scheinbar immer schlimmer werdenden Realität. Da kommt man dann in der Tat schnell in die Nähe des Rechtspopulismus und das ist in der Tat ein Problem, das innerhalb der radikalen Linken zwar teilweise erkannt wird, aber nur marginal angegangen wird.
Ich halte es auch nicht für einen Zufall, dass immer wieder bekannte Linksradikale im Laufe der Zeit zu Nazis werden.

Aus einer Betrachtung der Geschichte der radikalen Linken lässt sich aber vermuten (hoffen?), dass diese Probleme überwindbar sind. Es also auch eine radikale Linke geben kann, die nicht so scheiße ist wie die, die wir zurzeit in Deutschland haben.

Kommentar von Dietmar |

Hallo Martin,
nur weil einem selber das Linke (Politik, Ideologie, Vorstellungen etc.) nicht zusagen, läßt sich der Linksradikalismus nicht mit Rechtsradikalismus und oder Islamismus in eine Tüte werfen. Ansonsten wäre jede und jeder, welcher radikale Mittel zur Durchsetzung seiner Ziele anwendet ebenso darunter mit aufzuführen. Also genauso Polizisten, die in ihrem Dienst von der Waffe oder Schlagstock gebrauch machen, ganze Staaten welche militärische Konflikte austragen, oder auch die Wirtschaft welche mit Lobbyismus, Korruption, Bestechung, unter Druck setzen von Unterlegenen Vertragspartnern, die drastische Forderung nach arbeiten bis über das 70.Lebensjahr, also bis zum umfallen, alle diese, ob subtil oder offen gewalttätig handelnden Gruppierungen würden dann unter den Begriff Radikalität fallen und müßten mit aufgeführt werden. Aus der Sicht der damaligen NS-Machthaber waren die Attentäter des 20.Juli 1944 ebenso Radikale, Terroristen etc. Nur werden sie heute geehrt, weil ihr Ansinnen ja nicht Gewalt um seiner selbst willen war, sondern um Millionen Menschenleben zu retten. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Anschlag der RAF vom Mai 1972 auf die US-Kaserne in Heidelberg zu betrachten, von welcher aus sämtliche Luftwaffeneinsätze gegen Nordvietnam seinerzeit koordiniert wurden. Als Folge des Anschlages, bei dem vier GIs ums Leben kamen, konnte für drei Tage kein US-Angriff auf nordvietnamesische Städte mehr ausgeführt werden. Dieser dreitägige Stillstand, hatte nachweislich über 5000 vietnamesischen Zivilisten das Leben gerettet, die sonst in dieser Zeit den Bombardierungen zum Opfer gefallen wären. Aus vietnamesicher Perspektive war es also eine Handlung nach Bonhoefferschem Denkmuster, für die bundesdeutsche und amerikanische Seite gilt es bis heute als feiger terroristischer Anschlag. Wer will hierüber urteilen? Wir sehen also, die jeweilige Intention für eine Handlung, je nachdem ob sie egoistisch, eigennutzig,

Kommentar von Dietmar |

(versehentlich auf den "senden"-Knopf getippt):
...und einzig barbarisch-sadistischen Motiven folgt, oder dahin ausgerichtet ist, (vorgeblich) Schlimmeres zu verhindern, ist maßgeblich mit ausschlaggebend ob eine Radikalität einzig destruktiv zu werten ist oder für dieses Muster ungeeignet ist.

Kommentar von Philosoph |

"Was moderne Menschen so leicht in die totalitären Bewegungen treibt und sie so gut vorbereitet für die totalitäre Herrschaft ist die allseits zunehmende Verlassenheit."
(Hannah Arendt, 1951, The Origins of Totalitarianism, 1955, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft)

"Es ist in der Tat meine Meinung, dass das Böse niemals 'radikal' ist, dass es nur extrem ist und dass es weder Tiefe noch irgendeine dämonische Dimension besitzt. Es kann die ganze Welt überwuchern und verwüsten, eben weil es sich wie ein Pilz auf der Oberfläche ausbreitet. Es ist 'resistent gegen den Gedanken', wie ich gesagt habe, weil der Gedanke danach strebt, Tiefe zu erreichen, an die Wurzeln zu gehen, und in dem Augenblick, da er sich mit dem Bösen befasst, wird er vereitelt, weil da nichts ist. Das ist 'Banalität'. Nur das Gute besitzt Tiefe und kann radikal sein."
(Hannah Arendt, 1963, Brief an Gershom Scholem)

"[Das] größte begangene Böse ist das Böse, das von Niemandem getan wurde, das heißt, von menschlichen Wesen, die sich weigern, Personen zu sein."
(Hannah Arendt, 1965, Vorlesungen)

Die ständige Wiederholung der Begriffe Narzissmus, Dissozialität, Empathiemangel und Kriminalität pathologisiert, exkludiert und kriminalisiert. Wenn das für einen Psychologen auch das übliche Verfahren ist, schüttet es dennoch nur Öl ins Feuer. Nun den Heiligen Krieg der Psychologen gegen Rechtspopulismus und Islamismus auszurufen, ist kein Zeichen von Weisheit. Für alle Handlungen gibt es Gründe. Beseitige die Gründe und die Handlungen ersetzen sich automatisch durch ander, da man nicht nicht handeln kann!

Kommentar von Guido F. Gebauer |

@Philosoph

"Die ständige Wiederholung der Begriffe Narzissmus, Dissozialität, Empathiemangel und Kriminalität pathologisiert, exkludiert und kriminalisiert." Es ist schon wichtig, zu verstehen, dass hier ganz unterschiedliche Motive involviert sind und dass auf Menschen, die vorwiegend angstmotiviert sind, anders zuzugehen ist als auf Menschen, die vorwiegend nach Ausdrucksmöglichkeiten für ihre dissoziale Erlebensstruktur suchen.

"Nun den Heiligen Krieg der Psychologen gegen Rechtspopulismus und Islamismus auszurufen, ist kein Zeichen von Weisheit." Es geht nicht um einen heiligen Krieg, sondern um ein Verständnis, was bei den beteiligten Menschen abläuft und wie sie am ehesten erreichbar sind.

"Wenn das für einen Psychologen auch das übliche Verfahren ist..." Möglicherweise unterschätzen Sie aber auch die Möglichkeiten der Psychologie. Vielleicht wird diese sogar nicht nur nicht zu oft, sondern deutlich zu selten zu rate gezogen.

"Beseitige die Gründe und die Handlungen ersetzen sich automatisch durch andere, da man nicht nicht handeln kann!" Das ist gut gesagt, aber eben zu pauschal, um Handlungen anleiten zu können. Ich habe ja eben nicht nur von "dissozial", "angstmotiviert" und "Empathiemangel" gesprochen, sondern auch acht mögliche Handlungsmöglichkeiten abgeleitet, die nach m.E. sich deutlich positiv auswirken könnten.

Kommentar von Philosoph |

@Guido F. Gebauer: Ihr Denkfehler ist, dass Sie das Symptom für die Ursache halten. Alleine die Tatsache, dass genau die selben Verhaltensweisen überall in der westlichen Welt auftauchen, sollte ihnen zeigen, dass es sich nicht um ein psychologisches, sondern um ein soziologisches Phänomen handelt. Nicht die Protagonisten sind der kausale Grund für die Dynamik, sondern die Systemstruktur. Nicht die Attribute der Elemente des Systems - die von ihnen vergebenen psychologischen Diagnosen - sind schuld an der Dynamik, sondern die Parametrisierung des Systems durch die herrschende Politik und Wirtschaft vor allem seit 1989. "Was alle angeht, können nur alle lösen." (Friedrich Dürrenmatt, 1962, Die Physiker) Das System ist auch nicht trivial und damit linear, sondern komplex und damit nichtlinear zu beschreiben (Dirk Helbing, Stefano Battiston, Eugene Stanley, Tobias Preis, Nassim Nicholas Taleb, Hans-Peter Dürr, Peter Kafka). Deshalb geht es gerade nicht um Gefahrenabwehr, sondern um ein neues soziales und ökonomisches Setting des Systems, das Populismus, Separatismus etc. gar nicht erst interessant werden lässt, sondern die thymotischen Energien (Peter Sloterdijk) sich automatisch in anderen Richtungen austoben lässt. Menschen sind nicht populistisch, weil sie Populisten sind. Menschen sind nicht separatistisch, weil sie Separatisten sind. Menschen verhalten sich so, weil ihr Ich im intersubjektiven Raum (Martin Buber) über sehr lange Zeit inadäquat beantwortet wurde und ihr Bemühen einer biophilen (Erich Fromm) handelnden Umsetzung ihres Ichs genauso lange systematisch verhindert wurde (Michael Hartmann, Christoph Butterwegge, Stefan Selke). Wenn sie nicht 80% der Gesellschaft kriminalisieren und pathologisieren wollen, dann ist ihr Ansatz falsch: Siehe die Studien der Universitäten Dresden (2015, PEGIDA), Jena (2016, Rechts-Kultur in Thüringen) und Leipzig (2016, Neue Mitte).

Fangen sie damit an, ihre Begriffe zu definieren: Wenn sie vom Wert der "Diversität" sprechen, sagen sie warum Diversität wertvoll ist: Diversität ist essentiell, weil alles Leben durch Evolution organisiert wird und der Mechanismus der Evolution 1. ständig Vielfalt schafft, damit 2., wenn sich die Umwelt wie z. B. das Klima ändert, 3. das für die neuen Verhältnisse Passende schon da ist, sonst vergeht dieses System, diese Population, diese Spezies. Das ist ein Naturgesetz und damit nicht diskursfähig. Ein 1000-jähriges Reich errichtet man folglich auf möglichst großer genetischer Vielfalt und gerade nicht auf Klonen; Eine dauerhaft funktionierende Agrarwirtschaft errichtet man auf Artenvielfalt und gerade nicht auf Monokulturen aus Hybriden usw. Wenn sie von "Angst" reden, sagen sie was daran schlecht ist: Furcht ist nicht Angst und natürlich und nützlich, weil sie vor erkannten und potentiellen Gefahren warnt, wie man damit umgeht ist entscheidend: Das Gegenteil von Angst ist Exploration: Mache aus dem Hinweisreiz Furcht deines Systems die appetitive dopaminerge Motivation Interesse für die Situation und folglich einen Explorationsimpuls, so erweiterst du dein Wissen und deine Erfahrung über die Welt und ihre Handhabbarkeit durch dich, und du gehst in die Interesse-Explorations-Bildungs-Spirale; Mache aus dem Hinweisreiz Furcht deines Systems die aversive serotonerge Motivation Ignoranz und folglich einen Wegsehimpuls, so wandelt sich Furcht in Angst, und du gehst in die sich genauso selbst verstärkende Ignoranz-Angst-Fremdheits-Spirale, weil je mehr Ignoranz, umso weniger intuitive und bewusste Information und akute Kontrolle, umso potentiell gefährlicher ist die Situation - Dasselbe Prinzip gilt für alle so definierten Ängste und alle Feindbilder gegenüber Fremdgruppen wie Ausländern, Flüchtlingen, Asylbewerbern, Andersfarbigen, Homosexuellen, Behinderten usw. Wenn sie von "Narzissmus", "Egozentrismus" etc. reden, unterscheiden sie unmissverständlich, z. B.: Narzissmus ist Leugnung von oder Ignoranz gegenüber der Intentionalität des Anderen; Egozentrismus gegenüber der Qualia des Anderen; Egoismus g. d. Nichtautarkie des Anderen; Autoritarismus g. d. Autonomie des Anderen; Psychologismus g. d. Bewusstsein des Anderen. Antisozialität ist die Unfähigkeit den Anderen als Subjekt anzuerkennen, d. h. ihn zu objektivieren, d. h. ihn im intersubjektiven Raum nicht sukzessive approximierend wahrzunehmen und adäquat in dessen Kontext zu beantworten; Asozialität ist die Verweigerung des sozialen Handlungsraums, d. h. der Voraussetzung für Entscheidungsfreiheit und Handlungsfreiheit. Wenn dann noch wohlbegründet wird, dass die geleugneten, ignorierten und verweigerten Qualitäten basale, nicht diskursfähige Eigenschaften alles Biologischen und speziell des Menschen sind, kann darauf aufgebaut werden, um zu definieren, welche peripheren Parametrisierungen das System benötigt, um Entartungen des Systems, die das System letztendlich sich selbst zerstören lassen, zu verhindern. Dies setzt auf der Ebene des einzelnen Menschen immer eine Wahrnehmung des Anderen voraus, die seine grundsätzliche systemische Autonomie und Nichtautarkie anerkennt, seine private Intentionalität und Qualia als seine Selbstreferenz von ihm aus gesehen nachzuvollziehen versucht und sein Bewusstsein als Ausdruck seiner Selbstorganisation und Selbstregulation versteht, um ihn hierdurch adäquat in dessen Kontext zu beantworten.

Man kann auf diese Weise zu einigen ähnlichen konkreten Schritten gelangen (*), jedoch aus naturwissenschaftlich wohlbegründetem Kalkül und nicht aus einem in der Luft hängenden sozialwissenschaftlichen Phantasma, das ob seiner fehlenden Begründung in Biologie und Physik genauso viel Gültigkeit besitzt wie die angegriffenen Thesen. Aber noch viel wichtiger ist, dass man keinen neuen Krieg ausrufen muss, der das Feuer überhaupt erst entzündet hat und immer weiter anfacht, sondern sich auf die Bedürfnisbefriedigung biologischer Systeme konzentriert und damit dem Feuer seine Nahrung nimmt und es sukzessive zum Erlöschen bringt. Die Energie steht dann im sloterdijkschen Sinne für etwas Neues zu Verfügung.

(*) Ich habe Ihre praktischen Vorschläge 1. mit Ausnahme des Terminus "bekämpfen", 2. der Pathologisierung der rechten Akteure und 3. der wiederholten Kriegserklärung an die ihnen nicht passenden Gruppen nicht kritisiert. Diese Ausnahmen gelten, weil ihre Kriegserklärung nicht anders ist, als jene der von ihnen kritisierten Gruppen. Ausserdem müssten sie erst mal eine Partei aufzeigen, die keine der beschriebenen pathologischen Elemente beinhaltet und nicht populistisch agiert, vom extremen Rechtspopulismus der CSU gar nicht zu reden. Auch kann man eine komplexe Fähigkeit wie Empathie nicht durch mediale Berichterstattung erzeugen.

Kommentar von Guido F. Gebauer |

Ich kann in meinem Artikel keinen Kriegsaufruf sehen. Da scheint mir die Interpretation zu weit hergeholt. Im Gegenteil plädiere ich in allen Maßnahmen für eine Deeskalation, z.B. eben auch nicht für erhöhte Sanktionen etc.

Es geht mir auch nicht darum, Empathie als grundlegende Fähigkeit durch Medienberichterstattung zu erzeugen. Es geht darum, Menschen, die zu Empathie fähig sind, zu erreichen. Es gibt eine ganze Reihe von Pegida-Unterstützern und AfD-Unterstützern, die absolut zur Empathie fähig sind, deren umgesetzte Empathie aber durch Fehlinformation ("Flüchtlinge sind nicht bedroht") und durch massive Ängste ("Flüchtlinge sind Invasoren") blockiert wird. Ich konnte bereits mehrfach selbst die Erfahrung machen, dass eine solche Empathie-Blockade gut auflösbar ist durch die direkte, wirklichkeitsnahe Konfrontation mit den Tatsachen. Genau diese Personen wären also durch Medienberichterstattung aufklärbar und beeinflussbar.

Auch Ihrer Pathologisierungs-Argumentation kann ich so nicht zustimmen. Wie immer man Dissozialität beurteilt, so entspricht die Benennung eines vorliegenden Sachverhaltes nach m.E. keiner Pathologisierung. Sachlage ist, dass es eine (erstaunlich?) hohe Anzahl von Personen unter Islamisten und Rechtspopulisten gibt, die eine deutliche Neigung zu dissozialem und/oder kriminellen Verhalten aufweisen. Ich meine Verhaltensweisen, wie Konsum harter Drogen, Schlägereien, verantwortungsloses Verhalten im Verkehr, keinerlei Rücksicht auf Bedürfnisse von Bezugspersonen, öämtliche Formen von Straftaten im Allgemeinen, erkennbare Schwierigkeiten, aus Erfahrung zu lernen, Bewährugnsversagen etc.). Diesen Menschen gelingt es gleichzeitig, andere Menschen, die genau diese Neigungen nicht haben (und diese sogar ablehnen!), für sich zu gewinnen und sie einzuspannen. Erst weil ihnen dies gelingt, können sie Erfolg haben. Genau deshalb ist es nach meiner Überzeugung zentral, dass über die Tatsache (nicht Pathologisierung) des sich bei diesen Menschen zeigenden dissozialen und/oder kriminellen Verhaltens aufgeklärt wird. Wenn den missinformierten und angstmotivierten Personen bewusst wird, wer sie hier anführt bzw. mit wem sie zusammenarbeiten, werden sie sich eher hiervon distanzieren. Auch dies konnte ich bei mehreren Einzelfällen unmittelbar beobachten.

Mein Ansatz kriminalisiert eben nicht 80%, sondern geht davon aus, dass ein Großteil der Menschen fehlinformiert und angstmotiviert ist. Wird dem aber nicht begegnet, besteht die Gefahr, dass sich so eine Entwicklung verfestigt und ein dann auch relativ dauerhaftes ideologisches System entsteht, welches als Blocker für Empathie und Realinformationen wirken kann. Die sogenannte "Lügenpresse" sehe ich dabei als eine Strategie der Immunisierung der Anhänger gegenüber Informationen an. Nach meiner Einschätzung darf man daher keineswegs die Dinge einfach so treiben lassen. Je authentischer, individuell nachvollziehbarer und prägnanter Berichterstattung über das Schicksal von einzelnen Menschen und Familien im Rahmen ihrer Flucht ist, desto eher wird die Immunisierungs-Fassade "Lügenpresse" zusammenbrechen. Ich sehe hier also sehr wohl eine Aufgabe für die Medien.

Übrigens lassen sich ähnliche Phänomene in allen Kulturen, nicht nur in westlichen Kulturen beobachten.

Ich finde Ihren Ansatz und auch ihre Definitionen ausgesprochen interessant und weiterführend. Allerdings halte ich es für einen Irrtum, dass sie offenbar meinen, dass nur bestimmte Disziplinen relevant seien und zu echten Erkenntnissen und Maßnahmen führen können. Ich halte es nicht für sinnvoll, die Psychologie  hier herausnehmen zu wollen. Die Psychologie geht definitorisch anders vor (siehe Intelligenz, wo Definitionen sehr sparsam oder eher operational strukturiert sind) und dennoch haben ihre Ergebnisse hohe praktische Relevanz (z.B. Demenzdiagnostik, Förderungsmaßnahmen, um nur zwei Anwendungsbereiche der Intelligenzforschung zu nennen). Sehr ähnlich sieht es im Bereich der Angst aus, wo eine präzise Abgrenzung von Furcht in der Regel eher nicht vorgenommen wird. Trotzdem konnte z.B. generalisiert gezeigt werden, dass konservative Tendenzen eben auch mit einer Angst (sie würden sagen Furcht) vor Neuem einhergehen. Zudem sind psychologische Maßnahmen der Angstbehandlung extrem effektiv, auch wenn man sicher auch bezüglich ihrer Grundlagen sich über Definitionen streiten könnte.

Gesellschaftlich können psychologische Befunde ebenfalls relevant werden. So hat die psychologische Forschung sehr deutlich gezeigt, dass Maßnahmen der Härte (Jugendarrest, mehr Freiheitsstrafen, frühere Freiheitsstrafen, längere Freiheitsstrafen, weniger Bewährungschancen, Erwachsenenvollzug statt Jugendvollzug, Erziehungscamps etc.) wirkungslos bei der Rückfallprävention sind oder sogar schaden. Würde sich daran orientiert, könnte sich die Gesellschaft auch insgesamt neu ausrichten. Denn eine Gesellschaft, die auf Härte setzt, ist eine andere als eine Gesellschaft, die mit den Betroffenen darum ringt, um sie für die Gesellschaft zu gewinnen.

Die Frage von Symptom und Ursache halte ich für komplex. Bei Erkrankungen sterben die Menschen letztlich oft an den Symptomen und selbst wenn nur die Symptome behandelt werden (z.B. weil die Ursachen nicht bekannt oder nicht behebbar sind), kann ein Überleben und sogar ein gutes Leben möglich sein.

Was immer als Ursache oder Symptom für Islamismus und Rechtspopulismus gesehen wird, scheint mir im Sinne der gemachten Vorschläge aktives Handeln notwendig, um Menschen davon abzuhalten, sich von Rechtspopulismus oder Islamismus anziehen zu lassen und sich in deren desinformierenden Netzen zu verwickeln.

Grundlegende gesellschaftliche Veränderungen sind sicherlich notwendig, allerdings sehe ich nicht, dass wir auf sie warten sollten oder auch nur dürften. Ich würde ein "neues soziales und ökonomisches Setting des Systems, das Populismus, Separatismus etc. gar nicht erst interessant werden lässt" sehr begrüßen. Dennoch müssen wir uns jedoch den Menschen bereits jetzt und aktuell zuwenden, die ansonsten in die Fänge von Rechtspopulismus oder Islamismus geraten würden oder bereits geraten sind.

Kommentar von Philosoph |

> Ich kann in meinem Artikel keinen Kriegsaufruf sehen.

Z. B. hier: "Wie lassen sich Rechtspopulismus und Islamismus am besten bekämpfen?"

Kommentar von Guido F. Gebauer |

Wir führen doch keinen Krieg, wenn wir etwas bekämpfen. Wäre denn der Satz "Hass lässt sich am besten mit Liebe bekämpfen" auch ein Kriegsaufruf? Und wenn wir von der Bekämpfung der Kriminalität durch Bildungsmaßnahmen spreche, ist das dann Krieg? Die von mir vorgeschlagenen Maßnahmen zeigen doch, dass es eben nicht um kriegerische Maßnahmen geht!

Kommentar von Philosoph |

Doch, genau das sagt der Ausdruck "bekämpfen" aus. Gehen sie testhalber in die gegenteilige innere Haltung, und sie werden es sehen.

Kommentar von W. Berens |

"Ihr Denkfehler ist, dass Sie das Symptom für die Ursache halten."

Dieser Satz ( von Philosoph) bringt es auf den Punkt- und der ganze Beitrag von Gebauer ist zudem ein "Schulbeispiel" für die Mechanismen der Auseinandersetzung mit rechten Radikalismen unter bemühter Ausklammerung ihrer linken Entsprechungen.

Kommentar von Philosoph |

Aus meiner Sicht würde die Klärung, was unter den verwendeten Begriffen zu verstehen ist, schon viel bringen. In der deutschen Rechtsprechung ist z. B. eine radikale Position (Radikalismus) legitim, nicht jedoch eine "extreme" Position (Extremismus). Und politisch kann eine radikale Einstellung gegenüber einer konservativen (erhaltenden und langsam schrittweise entwickelnden) oder reaktionären (zu einem bereits bekanntem Alten wieder zurückkehren wollend) durchaus notwenig sein, weil radikal im politischen Sinne bedeutet, dass etwas an der Wurzel geändert werden soll: Das Hartz-Konzept war radikal, der Umstieg von Kernenergie zu erneuerbaren Energien war radikal, die Einführung eines BGE wäre radikal, die strikte Trennung von Einlagen und Kreditwesen vs. Handel und Investment bei Banken wäre radikal. Ausserdem wäre, wie man an den Beispielen sieht, die Vermeidung derartiger Ausdrücke als generalisierte Kampfbegriffe mit normativer und totaler Zuschreibung an den Gegner und statt dessen eine deskriptive, differenzierte, dedizierte, auf das einzelne Thema bezogene Anwendung sehr empfehlenswert. Die Anwendung von Begriffen wie "radikal" auf das rechte politische Lager unter Vermeidung der Anwendung auf das linke politische Lager ergibt sich wohl hauptsächlich aus der Verwendung als politische, normative, totale Kampfbegriffe. Verlässt man diese wenig konstruktive Haltung, dann kann man die Begriffe auch wieder pragmatisch uneingeschränkt gemäß ihrer Semantik anwenden.